Das neue Schweizer Parlament wird in naher Zukunft über eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes entscheiden, dass die medizinische Anwendung von Cannabis regeln soll. Die Reaktionen auf das neue Gesetz sind positiv. Die betroffenen Patientinnen und Patienten sind aber skeptisch und befürchten, dass sie die zukünftigen Cannabis-Medikamente nicht bezahlen können. Lesen Sie den Brief den MEDCAN im Namen dieser Menschen ans Schweizer Parlament geschickt hat.
Der Medical Cannabis Verein Schweiz (MEDCAN) gratuliert Ihnen zur Wahl. In den nächsten vier Jahren werden Sie wichtige Entscheidungen über die Zukunft der Schweiz fällen. Auch das Thema Cannabis wird Sie bald wieder beschäftigen.
Im Oktober 2019 endete die Vernehmlassung für ein neues Betäubungsmittelgesetz. Die Reaktionen waren positiv. Diese Änderung soll die Verwendung von Cannabis für medizinische Zwecke vereinfachen. Das ist dringend nötig. Da waren sich alle einig. Das freut die Betroffenen. Das BAG schätzt, dass sich in der Schweiz mehr als 100’000 kranke Menschen illegal mit Cannabis therapieren.
Wer sind diese Menschen? Einige von ihnen haben sich im Medical Cannabis Verein Schweiz zusammengeschlossen. Unsere Mitglieder stammen aus den verschiedensten Altersgruppen und Gesellschaftsschichten – vom krebskranken Kleinkind über die Mutter mit Multipler Sklerose bis hin zum Rentner, der seine Altersbeschwerden mit Cannabis therapiert. Die meisten Betroffenen haben eine jahrelange Leidensgeschichte hinter sich. Gemeinsam möchten sie auf ihre Situation aufmerksam machen.
Viele unserer Mitglieder waren von Medikamenten abhängig, die wenig genützt haben, oder haben einen Ärztemarathon ohne Aussicht auf Linderung hinter sich. Für viele ist die Selbsttherapie mit Cannabis der letzte Ausweg, um ihr Leiden zu lindern und ihre Lebensqualität weitestgehend zu erhalten. Sie haben ihre Therapie bewusst auf Cannabis umgestellt oder kombinieren sie mit schulmedizinischen Methoden und Medikamenten. Sie erachten die Nebenwirkungen bei der medizinischen Anwendung von Cannabis als drastisch geringer und angenehmer, als dies bei vielen konventionellen Medikamenten der Fall ist.
Sie denken jetzt sicher, dass neue Betäubungsmittelgesetz ist einen Grund sich als Patientin oder Patient zu freuen. Das sehen die Betroffenen aber nicht so. Sie fürchten sich vor dieser Lösung. Sie haben berechtigte Angst, dass Cannabis ein teures Medikament wird, dass sie sich nicht leisten können.
MEDCAN schreibt diesen Brief im Namen dieser kranken Menschen. Nehmen Sie sich doch bitte die Zeit und lesen Sie diesen Artikel. Er erklärt die unmenschliche Situation und fasst ihre Bedenken gegenüber dem neuen Gesetz zusammen. Sie stimmen über die Zukunft dieser Menschen ab. Gerne kommt MEDCAN auch zu Ihnen und Ihrer Fraktion nach Bern und erzählt Ihnen persönlich, was am besten helfen würde.
Die Schweiz hat ein menschliches Gesundheitssystem. Bei schweren Leiden besteht die Möglichkeit, sein Leben würdevoll zu beenden. Mit Cannabis legal ein schmerzarmes Leben zu führen, ist aber immer noch verboten. Das verstehen ein Grossteil Ihrer Wählerinnen und Wähler nicht mehr. Cannabis wurde schon Jahrtausende lang als Heilmittel eingesetzt. Man findet unzählige Patientengeschichten und Forschungsstudien im Internet. Diese beweisen, dass man Cannabis als Langzeitmedikament einnehmen kann, ohne dass es den Körper vergiftet oder die Organe schädigt. Das ist für viele chronische Kranke ein Segen. Die Schweizer Bevölkerung ist interessiert und möchte sich informieren. Das zeigt unsere tägliche Arbeit.
Welcher Weg die Schweiz einschlagen wird, darüber werden sie entscheiden. Bitte wählen Sie im Sinne der Patientinnen und Patienten und entscheiden Sie schnell. Wir möchten daran erinnern, dass die Betroffenen keine Zeit haben. Viele sind schwer krank. Sie brauchen sofort unkomplizierte Hilfe, dass heisst bezahlbare und kontrollierte Medikamente.
Sehr oft stossen die Betroffenen auf Unverständnis und erhalten keine Unterstützung von den Ärztinnen und Ärzte. Das hat damit zu tun, dass diese in der Ausbildung nichts über die medizinische Anwendung von Cannabis lernen. Das muss sich ändern. Beim neuen Gesetz ist das medizinische Fachpersonal die Schlüsselfigur. Die Ärztinnen und Ärzte werden es verschreiben. Die bei MEDCAN aber immer noch am häufigsten gestellte Frage ist: Wo finde ich einen Arzt? Die Betroffenen scheitern meistens schon beim ersten Schritt.
Und es braucht Aufklärung über die medizinische Anwendung von Cannabis. In der Vernehmlassung wurden immer wieder die Cannabisblüten infrage gestellt. Diese sind essenziell für eine effiziente Cannabistherapie. Für die medizinische Anwendung kann man Cannabisblüten verdampfen. Die Aufnahme über die Lunge ist von Vorteil, wenn eine schnelle Wirkung eintreten soll wie zum Beispiel bei epileptischen Anfällen oder spastischen Krämpfen. Die verschiedenen Einnahmeformen haben einen erheblichen Einfluss auf die Wirkung und wie lange sie anhält. Die neuste Cannabisforschung zeigt auch, dass pflanzliche Extrakte und Cannabisblüten effizienter wirken als die isolierten Moleküle oder deren Kombinationen. In einem neuen Cannabis-Medizinal-Gesetz Cannabisblüten auszuschliessen, wäre für einige Betroffene fatal, da ihnen vor allem die Einnahmeform über die Lunge hilft.
Cannabis für den medizinischen Gebrauch im Betäubungsmittelgesetz mit abhängig machenden und tödlich überdosierbaren Medikamenten wie Fentanyl oder Opiaten gleichzusetzen ist falsch und setzt die Heilpflanze weiterhin in ein falsches Licht. Die Forschung zeigt, gerade Cannabis könnte eine sichere Alternative zu diesen Medikamenten sein.
MEDCAN fordert, dass Patientinnen und Patienten ab sofort Cannabis für die medizinische Anwendung legal selbst anpflanzen dürfen. So lange die Krankenkassen nicht bezahlen, bleiben Cannabis-Medikament mit oder ohne Gesetz für die meisten Betroffenen zu teuer. Es muss daher möglich sein, sein Medikament günstig selbst herzustellen – am besten gemeinschaftlich in Cannabis Medical Social Clubs. So könnte einem Teil der Betroffenen schnell und unkompliziert geholfen werden.
Einen Zusatz – medizinischer Eigenanbau – braucht es auch in einem neuen Cannabis-Medizinal-Gesetz. So wie es jetzt angedacht ist, wird es noch Jahre dauern, bis die Krankenkassen die Cannabis-Medikamente bezahlen werden. Diese Produkte aus der Apotheke werden nicht billig sein. Die kranken Menschen können aber meistens neben ihrem Lebensunterhalt nicht auch noch Medikamente bezahlen. Ihr Heilmittel Cannabis wird unbezahlbar bleiben. So entsteht eine Zweiklassengesellschaft. Viele würden aus finanziellen Gründen wieder auf den Schwarzmarkt ausweichen oder illegal selber anpflanzen müssen. Das ist keine Hypothese. Diese Entwicklung sieht man in Deutschland.
Das dort 2017 beschlossene Cannabisgesetz funktioniert mehr schlecht als recht. Die Preise sind immer noch viel zu teuer und belastet die Krankenkassen in unnötiger Höhe. Die Patientinnen und Patienten finden keine ärztliche Unterstützung, die Krankenkassen möchten nicht bezahlen, immer wieder gibt es Lieferengpässe und die Qualität der Cannabis-Medikamente ist teilweise ungenügend. Würde das in der Schweiz mit dem neuen Gesetz wirklich besser funktionieren?