Seit Tagen versuche ich nun schon – wie jedes Jahr als Präsidentin des Vereins – einen Jahresrückblick zu schreiben. Es fällt mir aber unglaublich schwer. Ich habe mehrmals damit angefangen und nun einfach beschlossen:
Es war ein schreckliches Jahr. Gerade kranke Menschen mit Vorerkrankungen – dazu gehören viele unserer Mitglieder – müssen sich seit Monaten isolieren und sind einsam. Andere müssen trotzdem zur Arbeit und in dieser schwierigen Zeit normal funktionieren und wissen aber genau, dass sie speziell gefährdet sind. Und etwas haben viele Cannabis-Patientinnen und Patienten gemeinsam, den Beschaffungsstress qualitativ gutes Cannabis zu bekommen. Die Problematik hat sich 2020 wegen den vielen Einschränkungen noch zusätzlich verschärft.
Als im Frühling europaweit die Grenzen schlossen, war der illegale Markt noch unübersichtlicher. Dadurch wurde es für viele Betroffene schwierig, ihre Cannabis-Medikamente zu bekommen. Immer öfter häufen sich auch die Meldungen von CBD-Blüten, die mit synthetischen Cannabinoiden bespritzt und als THC-haltiges Cannabis verkauft werden. Das verunsicherte viele Patientinnen und Patienten zusätzlich. Bei einer illegalen Quelle muss man einfach nehmen, was man bekommt. Optisch kann man solche besprühten Blüten nicht erkennen. Diese Produkte können aber nicht nur für kranke Menschen sehr gefährlich werden. Diese neue Gefahr wird nicht wieder verschwinden. Lesen Sie hier mehr zu diesem Thema.
Etwas Positives kann man aus dem Jahr 2020 aber doch berichten. Sowohl der Ständerat im März als auch der Nationalrat im Dezember haben die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes für gut geheissen. Das wird in der Schweiz den Weg ebnen für den Medizinal Cannabis Kurs, wie wir ihn aus Deutschland kennen. Die Ärztinnen und Ärzte werden in Zukunft vereinfacht Cannabis an kranke Menschen verschreiben können. Die Zustimmung des Parlaments war sehr gross und zeigt klar, dass man den Cannabis-Patientinnen und Patienten einen legalen Weg ermöglichen möchte. Das ist doch sehr positiv zu werten. Welche Cannabis-Medikamente man bekommen wird, zu welchen Preisen und ab wann diese erhältlich sein werden, ist aber immer noch ungewiss. Das sind wichtige Faktoren für die Betroffenen. Optimistisch können wir darauf hoffen, dass es vielleicht ab 2022 für viele Betroffene besser wird.
Der pharmazeutische Weg, den die Schweiz und Deutschland gewählt haben, ist für viele chronische Langzeitkranke zu teuer. Werden die Patientinnen und Patienten nicht von den Krankenkassen unterstützt, können sie sich diese Cannabis-Medikamente meistens nicht leisten oder müssen sich illegal zusätzliches Cannabis dazukaufen. In der Schweiz wird es weiterhin den Krankenkassen überlassen, ob sie bezahlen. Heute scheitern viele, die den legalen Weg einschlagen möchten, an der Übernahme der Krankenkasse.
Für die Betroffenen wird es erst erträglich werden, wenn die Preise für die zukünftigen Cannabis-Medikamente mit dem Schwarzmarkt konkurrenzieren können. Und eigentlich brauchen die Patientinnen und Patienten nichts anderes als die Freizeit-Konsumentinnen und Konsumenten – viele verschiedene Cannabissorten und Einnahmeformen in geprüfter Qualität. Und wenn jemand, die viele Arbeit auf sich nehmen will, sollte er auch selber anpflanzen dürfen. Das muss längerfristig ein Grundrecht werden. Dafür wird sich MEDCAN auch in Zukunft einsetzen.
Nur wenn die Preise der zukünftigen legalen Cannabis-Medikamente marktgerecht und bezahlbar sind, werden sich alle Betroffenen nicht mehr strafbar machen müssen. So wären vielleicht auch die Krankenkassen bereit, eine Cannabistherapie zu übernehmen, wenn realistische Kosten anfallen. Cannabis ist eine Chance für das Gesundheitssystem, da oft viele Nebenwirkungen wegfallen und zusätzliche Behandlungskosten eingespart werden können. Das muss man den Entscheidungsträgern vor Augen führen. Gemeinschaftlicher Anbau von Patientinnen und Patienten wären interessante, kosteneinsparende und arbeitsplatzschaffende Projekte für das Gesundheitssystem. Richtig angebaut und fair verkauft, ist Cannabis ein günstiges Medikament.
2021 wird schwierig bleiben. Die Hoffnung besteht aber, dass sich durch die Impfung etwas ändern wird. MEDCAN wird jedenfalls unbeirrt weiter kämpfen. Wir stehen im regelmässigen Kontakt mit dem Bundesamt für Gesundheit und dürfen bei allen Entscheidungen, die Meinung und Einschätzung der Patientinnen und Patienten beisteuern. Sie sehen uns als Expertengruppe und sind froh über unsere Erfahrungen und unser Wissen. Wir stehen in Kontakt mit ärztlichem Fachpersonen, helfen mit bei Studien und Umfragen und werden von den Medien kontaktiert. Das freut uns sehr.
Wir versuchen überall Einfluss zu nehmen und arbeiten unermüdlich, so dass die Cannabis-Patientinnen und Patienten irgendwann zu ihrem Recht kommen. Unterstützen Sie uns auch im neuen Jahr.
Ich wünsche Ihnen einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Bleiben Sie gesund
Franziska Quadri
Präsidentin