Stellen Sie sich vor, Sie sind 21 Jahre alt und Ihr linker Daumen fängt an zu kribbeln. Wie ich werden Sie das Gefühl erst einmal ignorieren – auch wenn es anhält. Besonders, wenn Sie gerade dabei sind, sich auf Ihre Abschlussprüfung an der Hotelfachschule Luzern vorzubereiten. So ist es mir ergangen. Als sich das Kribbeln und die Taubheit dann Richtung Ellenbogen und auf die linke Bauchdecke ausbreitete, ging ich doch zum Arzt. Dieser verwies mich sofort an eine Neurologin. Nach etlichen Untersuchungen diagnostizierte sie bei mir Multiple Sklerose (MS) – eine chronische Entzündung des zentralen Nervensystems in Gehirn und Rückenmark.
Die Diagnose war ein grosser Schock für mich. Zunächst versuchte ich der Krankheit keinen allzu grossen Raum zu geben, mich auf Arbeit und Freunde zu konzentrieren. Doch das ging nicht lange gut: Die starken MS-Schübe führten dazu, dass mich die Krankheit ans Bett fesselte und ich meine Ausbildung abbrechen musste.
Keine der bewährten Therapien schlug bei mir an. Im Gegenteil, meine MS war aktiver als je zuvor. Dazu kamen die starken Nebenwirkungen der Medikamente: Ständig hatte ich Gliederschmerzen wie bei einer starken Grippe. Zudem waren meine Sehnerven zeitweise so entzündet, dass ich kaum mehr sehen konnte.
Gegen die Symptome der MS wie Nervenschmerzen, Schlafstörungen, Depression, Panikattacken oder Erschöpfung wurden mir zahlreiche Medikamente verschrieben. Am Anfang war ich froh, denn die Medikamente linderten die Symptome. Das hielt jedoch nicht lange an: Die Medikamente dämpften meine Empfindungen stark, ständig fühlte ich mich wie benebelt. Und ich nahm stark zu – am Schluss wog ich 140 Kilo. In dieser Zeit war ich oft der Verzweiflung nahe. Im Nachhinein kann ich sagen, dass mich Cannabis gerettet hat - kein anderes Mittel hat so gut gegen die Schmerzen und die Hoffnungslosigkeit geholfen. Denn meine Situation schien damals ausweglos.
Mein behandelnder Arzt schickte mich für eine Zweitmeinung und zu weiteren neurologischen Abklärungen nach Dresden. Begleitet von meiner Mutter, fuhr ich nach Deutschland – denn alleine hätte ich die Zugreise aufgrund der Schmerzen und meiner andauernden Erschöpfung nicht antreten können. Nach zahlreichen weiteren Tests verordneten mir die dortigen Spezialisten, dass ich von nun an alle sechs Monate eine Infusion erhalten würde.
Da ich schon so viele Therapiewechsel hinter mir hatte, machte ich mir wenig Hoffnungen. Wider Erwarten schlug die neue Therapie jedoch gut an. Zwar hatte ich zu Beginn immer noch Schmerzen und war oft erschöpft, aber mein Zustand stabilisierte sich und langsam heilten die Entzündungen in meinem Nervensystem ab.
Endlich hatte ich wieder genug Energie, um mich über weitere Behandlungsmethoden zu informieren, die gegen MS helfen können. Alles aufzuschreiben, was ich ausprobiert habe, würde ein ganzes Buch füllen. Letztendlich halfen vor allem drei Massnahmen:
Heute bin ich optimistisch, was meine Zukunft angeht. Ich treibe im Rahmen meiner Möglichkeiten wieder Sport, arbeite in einem 20-Prozent-Pensum und hoffe, dass mein Zustand lange wie möglich stabil bleibt.
Ich hatte eine Sonderbewilligung durch das BAG für den medizinischen Gebrauch von Cannabis, aber meine Krankenkasse wollte die Kosten für die Medikamente nicht übernehmen: Ein Gramm des Wirkstoffs THC kostet legal bis zu 1800 Franken. Wenn man es illegal kauft etwa 50 Franken, selbst angebaut rund 20 Franken. Die legal erhältlichen Medikamente wie Sativex wirkten zudem bei mir schlecht, sodass sie für mich keine Behandlungsalternative darstellen. Mir blieb langfristig nichts anderes übrig, als mich selbst mit Cannabis zu therapieren. Meine Lebensqualität hat sich dank Cannabis enorm verbessert. Und trotzdem fühlt es sich falsch an, sich als «guter Bürger» illegal verhalten zu müssen – nur um keine Schmerzen mehr zu haben. Auch darum engagiere ich mich bei MEDCAN
Was ist MS?
Für weiterführende Informationen: multiplesklerose.ch