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Fabien

Jahrgang: 1987
Diagnose: ADHS, chronische Schmerzen nach Bandscheibenvorfall, Glaukom
«Mein ADHS ist so ausgeprägt, dass ich ohne Therapie kaum zu Beziehungen fähig bin.»
«Cannabis macht mich zu einem angenehmen Mitmenschen.»
Fabien
Patientengeschichten

Wie lebt man ein Leben in ständigen Stürmen, wenn es nirgendwo einen sicheren Hafen gibt? Die Metapher steht nicht nur sinnbildlich für Fabien, der mit seinem ausgeprägten ADHS weder beim suchtkranken Vater noch bei der emotional vernachlässigenden Mutter ein gesundes Zuhause hatte. Er verbrachte tatsächlich zwei Jahre auf hoher See – im Jugendschiff, einer schon damals umstrittenen und inzwischen geschlossenen Institution für schwer erziehbare Jugendliche.

«Ich habe viel Mist gebaut, Velos und Mofas geklaut zum Beispiel», erklärt der heute 38-Jährige. Seine Mutter habe sich deshalb gemeinsam mit dem Jugendamt für diese Massnahme entschieden. Die Idee: Jugendliche sollen von ihrem Umfeld abgeschottet unter Drill lernen, sich einzufügen und ihren Teil zur Gemeinschaft beizutragen. Vom Schiff weg kommt erst, wer 40 Wochen lang die Erwartungen erfüllt hat. Bei Fabien hat es zwei Jahre gedauert. Als er wieder festen Boden unter den Füssen hatte, war er 16 Jahre alt. 

Diagnose ADHS

Als therapeutische Massnahme hatte die Intervention keinen anhaltenden Effekt – vielmehr war sie eine Bestätigung dessen, was Fabien schon sein ganzes Leben lang erfahren hatte: dass er nirgends reinpasst und mit Strukturen und Regeln nicht umgehen kann. Schon in der Primarschule war er wegen seines auffälligen Verhaltens in die Kleinklasse eingeteilt worden, wo er jedoch wegen Unterforderung nicht bleiben konnte. Zurück in der Regelklasse wiederum war er nicht tragbar. 

Mit neun Jahren brachte die Diagnose ADHS eine Erklärung für sein Verhalten und Ritalin eine vorübergehende Lösung. Ein Jahr später las er im Hanfmagazin seines Vaters, dass ADHS-Medikamente im Gehirn ähnlich wirken wie Kokain. Geprägt durch die Drogensucht seines Vaters, wollte er mit solchen Substanzen nichts zu tun haben und setzte das Medikament eigenständig ab. 

Fabien führt sein auffälliges Verhalten ohnehin nur teilweise auf ADHS zurück. «Bei meiner Mutter konnte ich tun und lassen, was ich wollte, es interessierte sie nicht», erzählt er. Auch gemeinsames Spielen, Vorlesen, Kuscheln, Reden seien ihm weitgehend verwehrt geblieben. Entsprechend habe er keinen Umgang mit Regeln und Strukturen gelernt. 

Arbeit und Obdach verloren

Diesen Umständen schreibt er auch zu, dass er seine Anlehre zum Bäcker/Konditor, die er nach dem Jugendschiff begann, nicht halten konnte. Kurz nach dem Abbruch warf ihn der damalige Partner seiner Mutter aus der Wohnung – Fabien hatte eine Kerze zu löschen vergessen, wodurch seine Matratze Feuer fing. Obwohl er zu seinem leiblichen Vater ein herzliches Verhältnis hatte, konnte er auch bei ihm und dessen Mutter nicht unterkommen.

Zunächst obdachlos fand er bald Zugang zur linksautonomen Besetzerszene. Eine Weile lang war er zufrieden. „Ich hatte meine Ruhe. Hin und wieder musste ich eine Busse absitzen, aber das stresste mich nicht“, erzählt er. Sein Glück fand er allerdings erst, als er mit 25 Jahren auf Facebook eine Schulfreundin wiederfand und die beiden sich verliebten. 

Der gemeinsame Weg war aber zu Beginn steinig, denn nach wie vor lebte Fabien ohne ADHS-Medikamente – nicht nur aufgrund seiner Suchtgefährdung, sondern auch weil er Grünen Star hat, was eine Kontraindikation für sämtliche ADHS-Medikamenten darstellt. «Mein ADHS ist so ausgeprägt, dass ich ohne Therapie kaum zu Beziehungen fähig bin», erklärt Fabien. «Meine Mitmenschen finden mich nervig, weil ich unruhig bin, und in meiner Impulsivität werde ich schnell verletzend.»

Lebensfreude dank Cannabis

Vor vier Jahren redete er mit seinem Hausarzt über die Möglichkeiten einer Cannabis-Therapie. Seither nimmt er Dronabinol, ein flüssiges synthetisches THC-Präparat. Seine Symptome werden dadurch stark gelindert, doch sein Magen spielte nicht mit. Deshalb stellt ihm eine spezialisierte Apotheke nun Dronabinol-Kapseln mit Kokosöl als Trägerstoff her: 60 Kapseln kosten fast 2000 Franken. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten. 

Da Blüten jedoch viel günstiger wären und bei ihm ebenso gut wirken, versucht er eine Kostenübernahme dafür zu erwirken, stösst allerdings auf Granit. Mit der Hilfe eines Arztes, den ihm der Verein Medcan vermittelt hat, stellt er das mittlerweile fünfte Wiedererwägungsgesuch. «Der nächste Schritt ist dann die Versicherungsombudsstelle», zeigt er sich entschlossen. 

Weshalb er bereit ist, um eine langfristig finanziell tragbare und ökonomisch sinnvolle Lösung zu kämpfen, wird umso verständlicher, wenn man neben seiner ADHS-Geschichte auch seine körperlichen Beschwerden kennt: Aufgrund eines Bandscheibenvorfalls nahm er über vier Jahre hinweg die zugelassene Höchstdosis von Novalgin, das aber aufgrund möglicher Nebenwirkungen nur über kurze Zeit hinweg angewendet werden sollte. Erst mit den Dronabinol-Tropfen kam er davon weg. 

Nach langer Odyssee hat Fabien seinen Heimathafen gefunden. Er lebt mit seiner Freundin zusammen, bezieht zu 100 Prozent IV-Rente und ist dank der Cannabispräparate fähig, den Haushalt zu besorgen, sich um den Hund zu kümmern und einen stabilen Freundeskreis zu halten.

Wissenswertes zu ADHS

  • Etwa drei bis fünf Prozent der Kinder – Jungen deutlich öfter als Mädchen – in der Schweiz haben ADHS.
  • Die Beschwerden können bereits im Vorschul- bis ins Erwachsenenalter auftreten und bleiben bei rund 60% der Betroffenen bis ins Erwachsenenalter bestehen.
  • Die häufigsten ADHS-Symptome sind:
    – Unaufmerksamkeit/leichte Ablenkbarkeit
    – Konzentrationsschwäche/Vergesslichkeit
    – Hyperaktivität
    – Impulsivität wie Wutausbrüche
    – langsame Reaktionen
    – motorische Schwierigkeiten im Kleinkinderalter
  • Für die Betroffenen geht ADHS oft einher mit gesteigerter Reizbarkeit, Depressionen, Aggressivität, Angststörungen und Tic-Störungen.
Was ist ADHS?

Wissenschaftliche Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass bei ADHS-Betroffenen die Signalübermittlung im Gehirn gestört ist. Nach aktuellem Stand der Forschung gelten die folgenden 3 Faktoren als Hauptauslöser für ADHS:

  • genetische Veranlagung
  • erworbene Auslöser wie Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen oder Rauchen und Alkohol während der Schwangerschaft
  • psychosoziale Gegebenheiten

Ein welchem Umfeld betroffene Kinder aufwachsen, verstärkt oder schwächt die Veranlagung. Die aktuelle Forschung geht davon aus, dass die Ursache für ADHS ein Zusammenspiel aus neurobiologischen (z.T. erblichen) und psychosozialen Faktoren ist. 


Wissenswertes zu Glaukom

Etwa 2% der Menschen über 40 Jahre in der Schweiz sind von einem Glaukom betroffen. Das Risiko steigt mit dem Alter, und die Krankheit kann lange unbemerkt bleiben.

Die häufigsten Symptome eines Glaukoms sind:

  • Erhöhter Augeninnendruck
  • Schleichender Sehverlust, beginnend mit Einschränkungen des peripheren Sehens
  • Verschwommenes Sehen oder Lichtempfindlichkeit
  • Augen- und Kopfschmerzen (bei bestimmten Glaukomformen)
  • In schweren Fällen plötzlicher Sehverlust
Was ist ein Glaukom?

Glaukom (Grüner Star) ist eine chronische Augenerkrankung, die durch einen erhöhten Augeninnendruck oder eine Durchblutungsstörung des Sehnervs verursacht wird. Dies führt zu einem fortschreitenden Abbau von Nervenzellen und kann unbehandelt zur Erblindung führen.

Ursachen und Risikofaktoren:

Nach aktuellem Stand der Forschung gibt es mehrere Hauptauslöser für ein Glaukom:

  • Erhöhter Augeninnendruck durch gestörten Abfluss des Kammerwassers
  • Genetische Veranlagung (familiäre Häufung)
  • Durchblutungsstörungen des Sehnervs, z. B. durch Bluthochdruck oder Diabetes
  • Bestimmte Medikamente (z. B. Kortison)
  • Höheres Alter

Ein Glaukom entwickelt sich oft schleichend und verursacht zunächst keine spürbaren Symptome. Regelmäßige augenärztliche Untersuchungen sind entscheidend, um ein Glaukom frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.